Es gibt Gewalt an Waldorfschulen und es gibt Rassismus im Werk Rudolf Steiners. Das erklärt der Bund der Freien Waldorfschulen (BdFW) aber gar nicht erst; auch nicht in Reaktion auf die kritischen Presseberichte der letzten Wochen (vgl. Prügel in der Waldorfschule). Denn Gewalt an Schulen ist leider nichts Überraschendes und Rassismus in einer Evolutionstheorie vom Anfang des 20. Jahrunderts auch nicht.
Die Ergebnisse der Studie des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen (KFN) sind ohnehin eindeutig:
"Die Waldorfschulen zeichnen sich dadurch aus, dass sich dort der mit Abstand niedrigste Anteil von fremdenfeindlichen Schülerinnen und Schülern ergeben hat (Waldorf 2,8 %, Gymnasien 8,3 %, Gesamtschulen 16,5 %, Realschulen 17,5 % und Hauptschulen 24,7 %). Ein ähnliches Bild zeigt sich zum Anteil der rechtsextrem eingestellten Schülerinnen und Schüler. Hier reicht das Spektrum von 1,2 Prozent an Waldorfschulen bis zum siebenfachen Wert von 9,5 Prozent an Hauptschulen. Wir interpretieren diese Daten als klares Indiz dafür, dass die Waldorfpädagogen sich im Schulunterricht engagiert gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus einsetzen." (KFN-Studie)
Die denunziatorischen Artikel in den Medien sind aus Sicht des BdFW Teil einer "systematischen Kampagne", eines "fanatischen Kreuzzugs" einiger "organisierter Gruppen" wie der Vorstand Hartwig Schiller erklärte. (Der Tagesspiegel, 11.07.2007)
Die Stellungnahme Hartwig Schillers erinnert an den misslungenen Versuch Jan Ullrichs, etwaige Verbindungen zum spanischen Sportmediziner Eufemiano Fuentes zu dementieren oder sich gar als Gegner des Dopings zu stilisieren:
"Diese Begriffe liegen lange zurück", erklärte Hartwig Schiller auf die wurzelrassistischen Begriffe Jupiterrasse und Saturnrasse Bezug nehmend in der Jahrespressekonferenz des BdFW am 11. Juli 2007 in Berlin. Zudem gäbe es genügend Stellen im Werke Steiners, die bewiesen, dass dieser sich aus zeitgeschichtlichen Gründen dieser Wurzelrassenterminologie bediente, tatsächlich aber ein Gegner der Rassenideologie gewesen sei, die er als Irrweg der Menschheit bezeichnet habe, so Hartwig Schiller. (Berliner Zeitung, 12.07.2007)
In der Tat finden sich in Steiners Schriften genügend Belege dafür:
"Denn durch nichts wird sich die Menschheit mehr in den Niedergang hineinbringen, als wenn sich die Rassen-, Volks- und Blutsideale fortpflanzen." (Rudolf Steiner, GA 177, S.205)
Dass auf einer Pressekonferenz nicht immer die ganze Wahrheit gesagt wird, kann nicht überraschen, aber die Bescheidenheit des Herrn Schiller ist auch nicht ganz alltäglich. Denn Rudolf Steiner hat sich nicht nur gegen Rassenideale gewandt, sondern auch immer wieder gegen Antisemitismus. In der seriösen wissenschaftlichen Literatur steht dies außer Frage (vgl. Ralf Sonnenberg: "Keine Berechtigung innerhalb des modernen Völkerlebens" - Judentum, Zionismus und Antisemitismus aus der Sicht Rudolf Steiners [in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 12, Berlin 2003, S. 185-209.]
Steiner geht von einer Überwindung der menschlichen Rassen aus, und zwar in der sechsten und siebten "nachatlantischen Kulturepoche". Diese sind – wenn man sie auf einer Zeitleiste verorten möchte – im Zeitraum von ca. 4000 bis 8000 n. Chr. anzusiedeln. Für die Vergangenheit, die Gegenwart und für die nächsten zweitausend Jahre gibt es für Rudolf Steiner, Jan Ullrich und andere Velozipedisten unteschiedlich entwickelte Ethnien. Die Sprecher der Waldorfschulen sind bemüht, dafür die schönsten Worte zu finden, um an diesen Vorstellungen von Wurzelrassen und vom sauberen Radsport festhalten zu können, ohne dafür in der Öffentlcihkeit kritisiert zu werden.
Das Bundesfamilienministerium hat küzlich den Antrag prüfen lassen, zwei Bände der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA 107 und 121) auf den Index für jugendgefährdende Schriften zu setzen. Hierzu Hartwig Schiller in hellseherischer Vorahnung:
"Ich garantiere, dass die besagten Schriften nie auf den Index kommen werden." (Berliner Zeitung, a.a.o.)
Die Bundeprüfstelle hat ein paar Wochen später auch wirklich entschieden, die beiden Bücher von Steiner nicht zu indizieren. Denn der Rassismus in diesen beiden Büchern ist zwar Bestandteil esoterischer Evolutionsvorstellungen, hat bisher nicht dazu geführt, dass etwa an Waldorfschulen rassistische Jugendbanden gegründet wurden oder im Sportunterricht an Waldorfschulen Doping verabreicht wurde.
Und vor allem: Die Bücher, in denen Tacheles geredet wird, wie z. B. in Meutgens et al.: Doping im Radsport (Bielefeld 2007), sind gewiss weniger jugendgefährdend als die verlogene und in Watte gelegte Propagierung ihrer lebensgefährlichen Dopingmethoden durch Funktionäre des Radsports, zu denen ich Hartwig Schiller ausdrücklich nicht zähle.
Die Texte des "Hellsehers" (Schiller, Ullrich oder Steiner?) sind in ihrer naiven Offenheit nicht selten – Verzeihung – derart babyleicht zu verstehen, dass von ihnen wohl kaum ein Jugendlicher, der noch halbwegs bei Trost ist, verführt werden könnte, wenn er tatsächlich im Sattel säße, anstatt das Radeln durch einen anthroposophischen Lehrer vermittelt zu bekommen. Dies mögen die folgenden Auszüge aus Rudolf Steiners Werkleib inklusive der Skizze eines "Fahrradführers", illustrieren:
"Und so sehen wir, daß gerade im 19. Jahrhundert ein Pochen auf Stammes- und Volks- und Rassenzusammenhänge beginnt, und daß man von diesem Pochen als einem idealistischen spricht, während es in Wahrheit der Anfang ist einer Niedergangserscheinung der Menschen, der Menschheit." (GA 177, S.204)
"So wie die Abgründe zwischen den einzelnen Nationen immer mehr und mehr verschwinden, so wie sich die einzelnen Teile der verschiedenen Nationen immer mehr und mehr verstehen, so werden sich auch andere Gruppenseelenhaftigkeiten abstreifen, und immer mehr wird das Individuelle des einzelnen Menschen in den Vordergrund treten. - So können wir sagen, innerhalb der Entwickelung der Menschheit verliert immer mehr und mehr der Begriff, worin sich die Gruppenseelenhaftigkeit am meisten ausdrückt, an Bedeutung, nämlich der Rassenbegriff. Deshalb ist es notwendig, dass diejenige Bewegung, welche die anthroposophische genannt wird, in ihrem Grundcharakter dieses Abstreifen des Rassencharakters aufnimmt, dass sie nämlich zu vereinigen sucht Menschen aus allen Rassen, aus allen Nationen und auf diese Weise überbrückt diese Differenzierung, diese Unterschiede, diese Abgründe, die zwischen den einzelnen Menschengruppen vorhanden sind." (GA 117, S.151)
Der Bund der Freien Waldorfschulen (BdFW) und die Union Cycliste Internationale (UCI), die immer wieder gegen Rassismus und Doping parlieren und sich weltoffen und tolerant begreifen, werben "deshalb" auf ihren Internetseiten mit klugen Infos für jedermann einsehbar mit ein paar "furchtbar schlauen" Klicks.
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