Freitag, 26. Oktober 2007

Mütter und Helden

Ein blindes Huhn findet nicht immer ein Korn

Zunächst ein Wort zur Kultur des Bloggens: Der Redakteur der anthroposophischen Zeitschrift
info3 Sebastian Gronbach betreibt ein privates Blog . Er macht das nicht anonym und lässt Kommentare frei zu, was an sich nichts Ungewöhnliches ist. Trotzdem gehört offensichtlich ein gewisser Mut dazu, ist doch NWA immerhin zu feige seine Identität in derselben Art zu offenbaren und traut sich auch nicht, wie Gronbach Kommentare zuzulassen. Zumindest theoretisch – so seine vermutliche Überlegung - könnte es ja Anthroposophen geben, deren Schamgrenze genauso niedrig hängt wie die eigene. Es hat Angst vor dem eigenen Spiegelbild, was auch immer der psychoanalytische Fachausdruck für dieses Phänomen sein mag.

Der Blogwart der Anthroposphäre entdeckte in Sebastian Gronbachs Blog die Beiträge "
Evas Sünde" und "Mythos Michael – Wirklichkeit des Heroismus". Hier schien es ihm, dass es etwas gefunden hatte, aus dem sich eine persönliche Diffamierung schmieden lassen müsste, die einerseits alle Leser intellektuell erreicht, und obendrein sogar noch einen Aktualitätsbezug hat. Aber: Gronbach? Wer um Himmelswillen ist Gronbach? Ein Anthroposoph ist er zwar, aber einer der als Individualist gilt, als Querdenker und Tabubrecher, dessen Ansichten überhaupt nicht den anthroposophischen mainstream (wenn es so etwas gibt), oder irgendwas Hochoffizielles widerspiegeln. Egal. Es geht ja nur um ein bisschen schlechte Duftmarke bei den Anthros, und nicht um eine Referenz für eine Bewerbung bei der sowieso nicht mehr existierenden Stasi.

NWA bedient sich hierbei – wie in anderen Beiträgen auch – einer typisch deutschen Befindlichkeit, die mit der Vergangenheitsbewältigung der Bevölkerung dieses Landes zu tun hat. Bestimmte Begrifflichkeiten lassen sich mit etwas rhetorischem Geschick in eine Richtung hinbiegen, die – zumindest beim deutschen Leser - einen Reiz auslöst, der eine Distanzierungs-Reaktion zur Folge hat. Danach ist ein Diskurs über Inhalte normalerweise nicht mehr möglich. Das Ganze wird zum grotesken Selbstläufer, der sich selbst dann kaum noch stoppen lässt, wenn sich herausstellt, dass es sich beim Auslöser des Reizes (z.B. dem angeblich gefallenen verbotenen Wort) gar nicht um eine wissenschaftlich verifizierbare Tatsache, sondern nur um ein eindeutiges Missverständnis handelte. Es geht dann nur noch um die Gelegenheit, sich selber als Widerstandskämpfer zu beweisen, und sei es auch an einer Attrappe. Je länger das Dritte Reich zurückliegt, umso mehr nimmt der Widerstand gegen Hitler und die Seinen zu. (Johannes Gross)

Die an Merkwürdigkeiten reiche Geschichte der deutschen "Vergangenheitsbewältigung" hat ein neues, bizarres Kapitel erhalten, stellt die Neue Züricher Zeitung in einem lesenswerten Beitrag fest. Gemeint ist der Fall Eva Herman. Von feministischer Seite wurde über Herman schon letztes Jahr die braune Keule geschwungen und dieses Mal ist aus einem – wie man inzwischen wissen kann völlig substanzlosen - Schneeball eine Lawine geworden, welche den Ruf Hermans unter sich begrub. Rechts, dumm, oder beides? Mit dem Haarfarben-Indiz erreicht man auch diejenigen, die nur die fettgedruckten Titel und Fotos lesen. Nein, sie ist nicht ein eingebildetes Opfer. Die Sache hat die bis vor kurzem beliebte Moderatorin sogar ihre Stelle beim NDR gekostet.
Land unter. Drogen? Die deutschen Medien im kollektiven Rauschzustand? Nein, NWA, Sie unverbesserlicher Scherzkeks, es handelt sich hierbei nicht um ein "Medienspektakel", sondern um einen "Medienskandal". Die Johannes-B.-Kerner-Show vom 10.10.2007, normalerweise seichter Mainstream-Talk, mutierte zum grotesken "Henker-TV" (Stefan Raab). Und ausschließlich Henryk M. Broder war es wieder einmal vorbehalten, als einziger Journalist mit funktionierender Nebel-Leuchte auf der deutschen Medien-Autobahn zu fahren.

Weder der Zeitungsente des Hamburger Abendblatts, die zum Beispiel in BILD-Titel übersetzt dann lautete "Eva Herman lobte Hitlers Familienpolitik", aber in irgendeiner Form überall unisono herumgeisterte und herumgeistert, noch der ignoranten Rezeption der Kernershow in den Leitmedien, ist NWA aufgesessen. Das kann der aufmerksame Leser erstaunlicherweise seinem Text entnehmen, auch wenn es bühnenwirksam mit 50 Millionen Toten auffährt, sich inhaltlich so herum windet, dass noch ein wenn auch diffuses Bessersein der NS-Zeit herausspringt, sich jedenfalls des Geruches der "persona non grata" gerne bedient. Warum springt es auf den Nazissenzug in der Form, wie es in der Presse veröffentlicht wurde, nicht auf? Weil es nicht kann! Die Seiten, auf die es in denunziatorischer Absicht verweisen muss, enthalten eine Analyse des Falles Eva Herman. Auf den zur Zeit im Internet kursierenden Offenen Brief an Johannes B. Kerner des info3-Redakteurs Felix Hau, der ein leider sehr rares Dokument von intelligentem Journalismus in der BRD ist, weist es zwar nicht hin, muss aber damit rechnen, dass seine Leser auch diesen finden. Das heißt, NWA würde sich argumentativ selber aushebeln, wucherte es mit diesem Pfund.

Es kostet NWA zwar einige Verrenkung, aber dennoch versucht es, auch in diesem Beitrag Gemeinsamkeiten zwischen NPD und Anthroposophie zu betonen. Die Rechtsradikalen seien empört, und die Anthroposophen auch. Wie könnte es auch anders sein, bei solchen – wie NWA nicht müde wird zu behaupten - Brüdern im Geiste? Dass es da einen ganz kleinen Unterschied gibt, ist dann doch eigentlich völlig egal, oder? Die NPD instrumentalisiert Eva Herman fälschlicherweise als eine der ihrigen (wogegen diese jurtistisch vorgeht), die Anthroposophen, ähhh, nein, die Redaktion der Zeitschrift info3 (wie viele Prozent der "Anthroposophen" interessieren sich eigentlich für Herman?), interessiert sich für eine Analyse des Medienskandals, und Sebastian Gronbach hat Sympathien für Hermans Thesen, die so dumm wahrlich nicht sind. Hier ist nicht der Ort, diese umfassend darzustellen, oder ein Loblied auf sie zu singen. Nur so viel: Bedeutet es nun eine Höherbewertung des Weiblichen, wenn nur Frauen, die männlich leben und auftreten, wert geschätzt werden, oder nicht im Grunde eine Abwertung der Frau (vorausgesetzt, es gibt so etwas wie "Weiblichkeit")? (siehe z.B. diesen Aufsatz von W. Stadler) Ist das Revival der DDR-Idee "Krippen für alle" gut für Kleinkinder (natürlich nicht), oder ist es nur der Versuch, Mütter mit kleinen Kindern im Sinne einer Gewinnmaximierung und Kostensenkung in den Takt der Arbeitswelt zu drängen? (Informationen auf der Hompage von Eva Herman)

Ob man Sebastians Gronbachs Sympathie für Hermans Thesen nun zustimmt oder nicht, ist jedermanns eigene Entscheidung. Eines ist jedoch klar: Es handelt sich um diskussionswürdige Thesen. Dass es einige Feministinnen, zum Beispiel Thea Dorn und Alice Schwarzer nicht lassen konnten, statt in einen sachlichen Diskurs einzutreten, lieber die braune Keule zu schwingen (z.B. Thea Dorn: Das Eva-Braun-Prinzip, TAZ vom 30.11.2006), und das beim zweiten Herman-Buch sogar mit Erfolg, ist vielleicht ein Armutszeugnis für den gegenwärtigen Feminismus. Dass aber NWA versucht, auf diesem Zug – wider besseren Wissens – mit seinem Anthro-Kritik-Blog mitzufahren, ist nicht mal ein Armutszeignis, sondern bei Lichte besehen, eigentlich nur noch unappetitlicher Schwachsinn.

Nach dieser peinlichen Pseudo-Kritik an anthroposophischer Wertschätzung des Mutterseins macht NWA dann noch einen Schwenk auf einen weiteren Blogbeitrag Sebastian Gronbachs. Das dort herausgeschnittene Zitat sei Gronbachs Verständnis von Männlichkeit.

Unterlegt wird das Ganze dann noch effektheischend mit einem Bild des Soldatenfriedhofs von Verdun, wo eine der entsetzlichsten Schlachten des Ersten Weltkrieges tobte. Damit und mit seinem letzten Satz soll des Lesers Reizsystem (Heroismus = Deutsche Weltkriegssoldaten) stimuliert werden. Das wäre an sich schon ziemlich platt, wurden doch auch unsere gegenwärtige Gesellschaftsordnung durch das Blut von Streitern für die Freiheit erkauft (z.B. 1848er Revolution, Landung der Amerikaner in der Normandie etc.), so hat das ganze ohnehin keinen Biss, da Gronbach ja von einer Haltung spricht, von Engagement. Er ist ein Fan von Paulo Coelhos "Handbuch der Krieger des Lichts". Über Coelho mag man geteilter Meinung sein, aber so schlecht oder bedenklich sind seine Geistesprodukte wohl nicht. Immerhin ist er einer der meistgelesenen Gegenwartsschriftsteller. Es gibt zwei Möglichkeiten für das Missverständnis: NWA ist so simpel gestrickt, dass das Wort Metapher (und "Krieg" ist bei Gronbach ja ganz ausdrücklich eine solche) in seinem Wortschatz nicht vorkommt, beziehungsweise, dass es gar nicht versteht, dass es auch geistige Kämpfe geben kann (und nicht nur Artilleriebeschuss vor Verdun). Oder aber das ganze ist mal wieder eine perfide Unterstellung, in der Hoffnung, die Leser würden die Bedeutungsverlagerung nicht bemerken.

Gronbach benauptet nirgends in seinem gesamten Blogbeitrag, dass das, was er dort sagt, sein Verständnis von Männlichkeit sei. Vielleicht ist es sein Männlichkeitsverständnis, vielleicht aber auch nicht. Gronbach macht dazu keine Aussage. Deshalb muss man das wohl offen lassen. Der scheinbar logische Schwenk, den NWA vollbringt, vom weiblichen zum männlichen Pol in Gronbachs Weltbild, hat also keine Füße, schwebt frei in der Luft, beruht vielmehr nur auf des/der KritikerIn eigener Interpretation von Männlichkeit (wie käme es sonst dazu, Gronbachs Beitrag unter solchen Gender-Gesichtspunkten zu beurteilen). Damit soll nicht gesagt werden, dass solch eine Interpretation dumm oder falsch wäre, aber es ist eine, und diese beweist, dass NWA offensichtlich genauso Vorstellungen davon besitzt, was typisch männlich, und vermutlich auch, was typisch weibliche Qualitäten sind. Nur scheint es den weiblichen Qualitäten keine Wertschätzung entgegenzubringen. Wie sonst könnte es ausgerechnet Gronbach wegen seiner Laudatio auf die Weiblichkeit diffamieren wollen?

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